Es ist für mich ein hoch emotionales Thema …. ich hoffe sehr, dass es mir gelingt die richtigen Worte zu finden – denn die Tiefe dieser Angst – ist beinahe unbeschreiblich.
Wahrscheinlich spielt es keine Rolle wie alt man ist – die Angst vor dem Coming Out bei den Eltern, kann einen gefühlt ersticken.
Es ist dieser Moment in dem zwei / drei Personen aufeinander treffen, mit all ihren bisherigen Erwartungen, Eindrücken, Meinungen, Erinnerungen und Hoffnungen über einander. In diesem Moment, in dem gesagt wird „ich bin …“ – kann es sein, dass all diese über den Haufen geschmissen und unwiderruflich verändert werden. Dieser Schritt gleicht einer Einbahnstraßen-Weggabelung. In der einen Richtung geht es wie gewohnt weiter – in der anderen ein völlig unbekannter Weg ohne Umkehrmöglichkeit – In diesem Fall ein „entweder oder“.
Man geht auf die Eltern zu … natürlich möchte man deren „Segen“, zumindest die „Akzeptanz“ und ein weiteres, gemeinsames Familienleben – ein Miteinander.
Sicherlich fühlen sich meine Eltern nicht auf den Schlips getreten, wenn ich hier schreibe, dass wir eine gewisse Zeit gebraucht haben, um uns zu „finden“ – doch heute ist es einfach wunderbar – der Weg (der sicherlich auch steinig war) hat sich gelohnt. Meine Angst war illusionär – nur in meinem Kopf.
Ich vergesse nicht, wie ich mich bis dahin oft mit Alkohol und Feiern abgelenkt habe, nur um mich vor dieser Angst (wie sie reagieren werden) zu drücken. Es war klar, dass ich diesen einen Schritt gehen werde, aber ich hatte solche Angst!* Bis zu einem Abend, als ich mich für die nächste Party richtete und weinend einer meiner besten Freundinnen schrieb: „Morgen oute ich mich bei meinen Eltern“, denn ich erkannte, dass es die Angst vor der Angst nicht wert war, so oft zu Lügen – denn was war nicht ich….
Wie geschrieben, tat ich es.
Heute blicke ich zurück und mir mein Gefühl sagt mir, dass diese Coming-out-Angst zu einem hohen Prozentsatz illusionär ist … aber ebenso weiß ich … leider in gewissen Fällen auch nicht.
Es ist so vielfältig und komplex, da es die unterschiedlichsten Konstellationen gibt. Abhängig von Wohngegend, Religionszugehörigkeit, Glaube, Weltansicht, persönliche Erfahrung der Eltern, deren Bewusstseinsstufe, Umfeld und sicherlich noch mehr.
Sollte es so sein, dass ein Coming out unmöglich scheint, ist die Frage ➜ hält die Person sich / hältst du dich in irgendeiner Weise zurück „sich / dich selbst wirklich auszuleben“ – weil versucht wird die Erwartungen der Eltern oder Anderer zu erfüllen?!
Vielleicht, weil die traditionell geführte Firma übernommen werden soll – oder der Betrieb eines Hofes – der Wunsch nach Enkelkindern besteht – oder „weil es normal ist, eine Familie Zu gründen“?!
Ich glaube das Familienleben ist etwas Wundervolles und zugleich die schwerste Schule die es gibt – denn die genetische Familie kann man nicht wechseln. Natürlich gibt es Wahlfamilien, zum Glück. Aber wahrscheinlich ist es in unserer Essenz verankert, dass wir gerne die Liebe unserer Eltern erfahren möchte – auch hier egal in welchem Alter.
Wenn es den Wunsch nach einem coming out gibt – und Zweifel bestehen, wie es ausgehen könnte – so empfehle ich seine vertrauten Menschen um sich zu sammeln… sich darauf vorzubereiten und den Schritt zu gehen … denn dann ist es eine Angst die überwunden werden soll!
Es geht vielleicht nicht darum, wie es ausgeht, sondern, dass der Mut gefasst wird zu sagen „ich bin“ – denn das ist eine der stärksten Aussagen, die ein Mensch tun kann. Dann kann der wahre Wachstum sich entfalten… und das darf man sich selbst wert sein.
Hier alles in einen Beitrag zu packen ist schwer. Wenn du mehr wissen, oder dich vertrauensvoll austauschen möchtest, dann melde dich wirklich sehr gerne.
* Kleiner Einschub. Eigtl. gäbe es keinen Anlass wirklich Angst zu haben. „Damals“ war es einfach anders – weniger bekannt und auf „dem Land“ sowieso gefühlt nonexistent. In unserem Umfeld war niemand homosexuell und auch einfach kein Thema … Social Media war teilweise präsent und so fehlte mir der Austausch mit Anderen. Ich fühlte mich alleine.
#loveislove
Bildquelle: Unsplash